Der erste Schritt auf dem Wege zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft:
11.08.2022
Die als Entwicklungsmöglichkeiten beschriebenen Stufen 2 – 4 zeigen Optionen auf, über die erst zu gegebener Zeit entschieden werden kann.
Übersicht
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 2 41
Weiterer Abbau von Verwaltungszwang
Zusätzliche Leistungsanreize für Geringverdiener
Neue Arbeitsnachfrage bei mehr Motivation 44
Versicherung gegen Unterbeschäftigung 45
Politische Wirkungen der zweiten Stufe 47
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 3 48
Durchgängig lohnende Leistungsanreize
Wiederherstellung des freien Arbeitsmarktes 49
Politische Wirkungen der dritten Stufe 52
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 4 54
Aufhebung der Bedürftigkeitsprüfung
Familienpolitik 59
Fiskalische Langzeitwirkungen 61
Politische Wirkungen der vierten Stufe 62
Eine solidarische und wirklich liberale Gesellschaft 63
Anhang: Chancen und Grenzen des Arbeitsmarktes 64
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 2
Weiterer Abbau von Verwaltungszwang
Ein Fehler an Hartz IV war, dass Schröder sie als Jahrhundertreform pries. Aber jede Reform hat auch Mängel und weckt damit Widerstände, die sich damit gegen den Reformprozess selbst wenden. Unser eigenes Ziel, dass alle Arbeit finden, von der sie angemessen leben können, ist bei Weitem nicht erreicht.
Die Mehrzahl der Bundesbürger wird es als lächerlich empfinden, dass man nur Leistungen für 100 Euro monatlich einfordert. In der Mitte der Legislaturperiode wird es Zeit sein, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Deshalb wird die Beweislastumkehr jetzt erweitert:
Wer als Erwerbsfähiger nicht einmal Arbeit für 200 Euro monatlich bzw. 2.400 Euro jährlich nachweist, hat nur einen um 60 Prozent reduzierten Anspruch auf den Regelunterhalt, wie es der zweiten Sanktionsstufe des SGB II entspricht, zurzeit also um etwa 250 Euro monatlich.
Der ökonomische Anreiz für den Start ins Erwerbsleben wird damit deutlich erhöht.
Im ersten Reformschritt wäre dies riskant gewesen. Einerseits konnte man nicht sicher sein, dass die Kommunen die benötigten Arbeitsgelegenheiten in der erforderlichen Zahl und Differenzierung tatsächlich bereitstellten und der drohende Einkommensverlust von 250 Euro hätte zu Protesten der Sozialpolitiker geführt, mit denen das Bürgergeld diskreditiert worden wäre. Nachdem aber schon die Hälfte der bisher inaktiven Hartz-IV-Haushalte erste Erwerbstätigkeit aufgenommen hat und zugleich das Angebot kommunaler Arbeit perfektioniert wurde, dürften solche Proteste kaum mehr Widerhall finden. Auch das Bundesverfassungsgericht wird es akzeptieren, sobald der erwartete Beschäftigungseffekt wirklich eintritt. Aber das muss man eben abwarten.
Zusätzliche Leistungsanreize für Geringverdiener
Das Regeleinkommen zuzüglich 100 Euro Werbekostenpauschale erhält man in Stufe 2 erst bei 200 Euro Bruttoeinkommen. Dafür bleiben von 200 Euro bis 500 Euro brutto 50 % Nettoeinkommensgewinn statt bisher 40 %, danach wieder 20 % bis 1.000 Euro, dann 10 % statt bisher 5 %. Die übrigen Regeln werden nicht verändert. Abb. 11 zeigt die Wirkung für einen Alleinstehenden:
Mit Arbeit für 500 Euro monatlich hat man 500 Euro mehr als ohne Arbeit. Bis dahin waren das 250.
Für alle, die mehr als 500 Euro erwirtschaften, gibt es noch eine weitere wenn auch geringfügige Einkommenssteigerung von 10 – 50 Euro monatlich (orange Pfeile).
Unter 400 Euro Bruttoeinkommen hat man allerdings weniger als in der ersten Stufe. Wer von seiner Schwarzarbeit bisher nur 100 Euro angemeldet hat, wird jetzt mehr davon legalisieren. Wer wirklich nur so wenig arbeitete, wird seine Leistung erhöhen müssen (rote Pfeile nach rechts) und dies auch tun, ohne dass das Jobzentrum ihn dazu antreiben müsste.
Nachdem die erste Schwelle überwunden ist, dürfte das allerdings auch kein Problem sein: 500 Euro Bruttoeinkommen sind nicht mehr als 12 Wochenstunden bei 10 Euro Stundenlohn.

Die Wirkungen für eine Familie sind ähnlich (Abbildung 12): Nimmt kein Elternteil Arbeit auf, so verliert sie weitere 230 Euro monatlich (lila Pfeil nach unten). Erzielt nur einer von beiden ein Bruttoeinkommen von 400 Euro monatlich, haben sie so viel wie heute unter Hartz IV.
Erzielt nur einer von beiden 400 Euro monatlich bzw. 4.800 Euro im ganzen Jahr, verfügt die Familie monatlich über 560 Euro mehr als ohne Arbeit. In der ersten Stufe waren es 420 Euro.
Mit 1.100 Euro monatlich hat sie 910 Euro mehr als ohne Arbeit. Bisher waren es 630. Der Neustart bei 9 Euro Stundenlohn bringt 4,0 Euro Nettostundenmehreinkommen.

Für alle Familienhaushalte mit mehr als 1.000 Euro Bruttoeinkommen steigt das verfügbare Einkommen auch ohne Mehrleistungen noch einmal, bei 3.000 Euro brutto sogar um mehr als 150 Euro monatlich. Außerdem erhöht sich der Leistungsanreiz ein wenig.
Der Neustart eines Elternteiles bei 9 Euro Stundenlohn bringt nun 6,0 Euro Nettostundenmehreinkommen.
Die Zweiteilung des Arbeitsmarktes ist einer Dreiteilung gewichen: Das Leistungsprinzip der Marktwirtschaft wirkt bei Einkommen bis 500 Euro je Erwerbsperson und dann wieder bei mehr als 1.800 Euro (oranger Kreis).
Dazwischen herrscht leider nach wie vor Verwaltungswirtschaft, wenn auch mit leicht verbesserten Anreizen.
Während für den ersten Einstieg zwar niemand mehr auf die Aufforderungen der Jobcenter warten muss, um sich zu bewerben, und sich auch alle so verhalten werden, dass sie Jobs auch bekommen – die ökonomische Motivation reicht völlig – ist das bei Leistungssteigerungen über 500 Euro hinaus kaum der Fall. Das beste Wirtschaftsergebnis erzielt ein Alleinstehender mit 500 Euro legaler Arbeit und zusätzlich 1.000 Euro Schwarzarbeit. Damit kommt er dann (Abb. 11, S, grau gepunktete Linie) auf 1.100 Euro Transfereinkommen zuzüglich ca. 720 Euro bar auf die Hand = 1.820 Euro. Ausschließlich sozialversicherungspflichtige Arbeit hätte ihm 1.250 Euro gebracht. Die Jobzentren müssen ihre Kunden also nach wie vor dazu drängen, entgegen eigenem wirtschaftlichem Interesse auf legalem Wege tatsächlich „alle Anstrengungen zu unternehmen, um aus der Hilfebedürftigkeit herauszukommen“. Für einen Alleinstehenden lohnen Mehrleistungen erst wieder über 1.800 Euro Bruttoeinkommen.
Ergebnis der Modellrechnung für die kurze Frist:
Zusätzlich mehrere hunderttausend bisher inaktiver Haushalte nehmen wenigstens geringfügige Arbeit auf.
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit unter 450 Euro Bruttoeinkommen sinkt, die mit über 850 Euro steigt.
Fiskalischer Gewinn: Weitere etwa 6 Milliarden Euro jährlich (Abb. 18).
Neue Arbeitsnachfrage bei mehr Motivation
Je mehr Arbeit die Hilfebedürftigen aufnehmen, desto mehr stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt so viel Arbeitsnachfrage? Klar ist, dass sämtliche heute in der Schattenwirtschaft geleistete Arbeit sich in legale umwandeln lässt. Aber neue Arbeitsnachfrage entsteht erst bei einem über einen längeren Zeitraum hinweg gut motivierten Arbeitsangebot zu hinreichend niedrigem Preis. Dann denken potenzielle Arbeitgeber darüber nach, ob sie sich davon Vorteile versprechen können und richten sich darauf ein. Dass wir diese Arbeit zunächst nicht kennen, darf nicht wundern. Wir haben eine Situation geschaffen, in der sie nicht existieren konnte, weil sie nicht lohnte. Um den Prozess der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft zu beschleunigen, sollten die Jobzentren dafür werben. Hier einige Beispiele:
– Jugendarbeit in Vereinen
– Assistenzarbeit bei Forschung und Lehre
– Zuarbeit bei zunächst risikoreichen Unternehmungen
– Computerberater für kleine Jobs im Privatbereich: ein Einstieg für späteren Erfolg
– Nachhilfeunterricht für schwache oder daheim nicht geförderte Kinder
– persönlicher Telefondienst statt endloser Warte- und Weiterleitungsschleifen der Computer
– Tante-Emma-Läden, oft wichtig zur Versorgung und Kommunikation in Wohngebieten
– überhaupt alle Kleinunternehmungen mit oft nur niedrigen Einkommen
Dabei gibt es auch Arbeiten, die völlig Ungelernte gut ausführen können, die bisher auf dem Arbeitsmarkt gar keine oder nur geringe Chancen hatten:
– Dienstleistungen im Quartier wie Rasen mähen, Winterdienst versehen, Autos waschen,
– Schimmel in Duschen beseitigen, in Gärten Obst ernten, Hecken schneiden, Laub rechen
– Lebensmitteleinkaufsdienst für Alte oder:
– Brötchenlieferdienst der Bäcker
– mehr Blumenpflanzungen in öffentlichen Grünflächen
– Betreuung von Abfallkörben in Grünanlagen
Für andere mühsame oder unangenehme Arbeiten scheinen wir uns zu gut. Solche Arbeiten machen bei uns Ausländer. Nun könnten sie auch Deutsche leisten:
– Saisonarbeiten in der Landwirtschaft, Äpfel und Kirschen pflücken,
Spargel stechen oder Gurken ernten. Warum können das nur Polen?
– Hotelwäsche: Muss man sie täglich von Berlin nach Polen fahren und dort waschen?
Viele Dienste benötigen wir im Haushaltsbereich für Alte, aber auch für junge Familien:
– Betreuung alter Menschen in ihrer gewohnten Umgebung, statt sie in Heime zu schicken
– Organisation privater Altenwohngemeinschaften
– Haushaltshilfen, die über die üblichen kleinen Dienste hinausgehen bis hin zum Kochen
– Erziehungshilfen in Familien oder für Alleinerziehende
– gemeinsame Kindererziehung durch Tagesmütter, private Krippenplätze, Krabbelstuben
Die Liste ließe sich noch beliebig verlängern und die Jobcentren sollten gemeinsam mit ihren Kunden und Nachfragegruppen untersuchen, an welchen Stellen in unserer Gesellschaft noch Nachfrage bestehen könnte und z.B. im Internet Foren eröffnen, auf denen beide Seiten zusammenfinden.
Die Diskussion dazu sollte mobilisieren und zugleich Vorbereitung der nächsten Schritte sein.
Versicherung gegen Unterbeschäftigung
Das Bürgergeld 2025 ist die Antwort auf die Herausforderungen des technischen Fortschrittes und der Globalisierung, in deren Folge Menschen auch bei Einsatz ihrer Fähigkeiten in vielen Fällen oft nicht von dem Lohn leben können, der sich am Markt bildet. Mit Stufe 3 wird es aber praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr geben. Eine Trennung des bisherigen Arbeitslosengeldes 1 und der Grundsicherung gegen Arbeitslosigkeit macht also keinen Sinn mehr.
Statt einer Arbeitslosenversicherung haben wir mit dem Bürgergeld 2025 eine Unterbeschäftigungsversicherung geschaffen.
Man könnte das Bürgergeld als negative Einkommensteuer definieren. So hatte es Joachim Mitschke 1985 erstmals in der Tradition Milton Friedmans konzipiert. Das gleiche inhaltliche Ziel lässt sich aber auch durch eine Versicherungsleistung organisieren und auf diese Weise ein ganz anderes Problem der Globalisierung lösen:
Der deutsche Arbeitsmarkt ist Teil mindestens des europäischen Marktes. Mit der vorgesehenen Stützung der unteren Einkommen sind wir einer der attraktivsten Sozialstaaten der Welt. Wir sollten ihn nicht leichtfertig denen öffnen, die zu seiner Finanzierung nichts beigetragen haben. Das ist kein neues Problem. Bisher war schon zu beobachten, dass EU-Ausländer in unser Land zogen, weil sie hier unter Hartz IV ohne oder mit wenig Arbeit viel besser leben konnten als in ihrer Heimat. Selbst unser Kindergeld löste Wanderungsbewegungen aus; denn wer fünf Kinder hat, kann einen Schrotthandel eröffnen ohne je Gewinn zu erwirtschaften aber doch rund 1.000 Euro Kindergeld in Anspruch nehmen. Das Sozialamt überprüfte letztlich den Fall eines Türken: Dass er dreizehn Kinder hatte, war noch hingenommen worden; aber dass dabei zwei Kinder nur vier Monate Abstand im Geburtsdatum aufwiesen, machte stutzig. Die Papiere waren einwandfrei. Die Kinder waren in der anatolischen Heimat adoptiert und im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gebracht worden, damit man sie in der Heimat nicht ernähren musste. Missbrauch? Nein: Recht! Wenn wir in gleicher Lage wären und unsere Nachbarländer hätten ähnliche Gesetze, würden wir uns wahrscheinlich auch so verhalten.
Wer die Einwanderung in unser Sozialsystem nicht will, soll nicht über Türken, Polen, Rumänen oder Marokkaner schimpfen, sondern über unsere Gedankenlosigkeit und die Gesetze ändern.
Unser Wirtschafts- und Sozialsystem darf nicht zur Selbstbedienung einladen.
Sonst wird es zum Problem zwischen uns und Ausländern.
Solange das Bürgergeld eine sozialverpflichtete Umverteilung der in der Bundesrepublik lebenden Menschen ist, wird es von allen in Anspruch genommen werden können, auch wenn sie niemals etwas zu seiner Finanzierung beigetragen haben. Selbst wenn wir versuchen, das durch Gesetz auszuschließen, würde der europäische Gerichtshof uns verpflichten, alle EU-Bürger im Rahmen der freien Wohnortwahl gleich zu behandeln.
Hier muss eine klare juristisch nicht anfechtbare Abgrenzung erfolgen. Und diese Regelung sollte ausschließlich in der Kompetenz unseres Staates liegen und damit von Entscheidungen auf europäischer Ebene unabhängig sein. Wie kann das geschehen?
Das Bürgergeld für Erwachsene und Kinder sowie das Übergangsgeld werden aus der Unterbeschäftigungsversicherung finanziert.
Damit werden die Leistungen aus dem bisherigen ALG I, ALG II, Kindergeld und Sozialhilfe insgesamt zu Versicherungsleistungen. Falls die Beiträge der Arbeitslosenversicherung in ihrer gegenwärtigen Höhe dafür nicht ausreichen, könnte man den Beitragssatz erhöhen und den Steuersatz entsprechend senken. Möglicherweise lässt sich die Differenz aber auch direkt aus Steuermitteln decken; denn auch die Rentenversicherung erhält erhebliche Zuschüsse vom Bund, ohne dass dies rechtlich beanstandet worden wäre.
Damit hat Anspruch auf diese Leistungen nur, wer für einen Mindestzeitraum Beiträge bisher in die deutsche Arbeitslosenversicherung oder nun in die Bürgergeldversicherung eingezahlt hat.
Weil wir natürlich möchten, dass auch unsere Partner und Kinder in die soziale Sicherung einbezogen werden, ist die Bürgergeldversicherung eine Familienversicherung wie heute schon die Kranken- oder Rentenversicherung. Damit kann jeder Deutsche in den Genuss der Sockelzahlungen kommen, weil in jeder Familie Arbeitslosenbeiträge gezahlt wurden. Kinder sind damit bei Ihren Eltern versichert und haben beim Berufseinstieg sofort die Chance einen Job zu finden, von dem sie leben können.
Indem Sockeleinkommen als Familienversicherungsleistung definiert werden, schützen wir uns vor ungewollter Einwanderung in unser Sozialsystem:
Falls wir die Mindestfrist zur Inanspruchnahme von Leistungen z.B. mit zehn Jahren festlegen, kann ein Ausländer erst nach dieser Zeit in den Genuss der Förderung von Geringverdienern kommen. Trotzdem kann der Staat noch immer bestimmte Zuwanderungen auch wirtschaftlich fördern. Aber das ist im Bundestag offen zu beraten und zu beschließen und nur dann kann man an unserer Solidargemeinschaft Teil haben:
Mit dem Bürgergeld 2025 wird die Solidargemeinschaft der Deutschen als Leistungsgesellschaft definiert, als eine Gemeinschaft, die aus den Leistungen ihrer Bürger heraus dafür sorgt, dass auch unter den Bedingungen von Globalisierung und künstlicher Intelligenz jeder eine Arbeit findet, von der er angemessen leben kann.
In der Folge können Zuwanderer auch nicht mit geringfügiger Beschäftigung das Niedriglohnniveau noch weiter drücken, deutsche Arbeitnehmer verdrängen und den staatlichen Zuschussbedarf erhöhen. Wer in unserem Lande nur geduldet aber nicht ausgewiesen wird, dem sollten wir allerdings die Arbeitserlaubnis nicht verweigern. Er erhält dann ein Nettoeinkommen ohne Bürgergeldaufstockung. Um mit Arbeit das Existenzminimum finanzieren zu können wird er mehr leisten müssen als ein Deutscher. Hat er lange genug gearbeitet, hat auch er Anspruch auf Bürgergeld und dann sollte uns das auch Recht sein.
Die Begrenzung der Zuschüsse auf in Deutschland Versicherte ist somit auch eine Frage des sozialen Friedens in einem von Migrationsströmen geprägten Europa.
Das ist also kein Widerspruch zum Ziel eines einigen Europas. Es muss nur jeder Staat sein Beschäftigungsproblem selbst lösen. Andernfalls könnte jeder sich seiner sozialen Aufgaben dadurch entledigen, dass er seine Arbeitslosen in Staaten mit besserer sozialer Sicherung ziehen lässt. Davor hatte Hans-Werner Sinn in seinem Buch „Ist Deutschland noch zu retten“ schon 2005 gewarnt.
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte werden viele Länder zu ähnlichen Lösungen kommen müssen. Jeder Staat muss sie aber selbst verantworten. Hätten die Briten es gleich getan, hätte es vielleicht einen Grund weniger für den Brexit gegeben. Die Unterbeschäftigungsversicherung führt also Stärkung eines Europas verantwortungsbewusster Staaten.
Dies Thema sollten wir diskutieren und als Lösung für die dann nächste Wahlperiode in Aussicht stellen.
Wir packen damit ein Problem an, dass viele unserer Bürger beschäftigt.
Politische Wirkungen der zweiten Stufe
Kurz nach Einführung der zweiten Stufe des Liberalen Bürgergeldes 2025 könnte also die nächste Bundestagswahl anstehen. Welche Reaktionen sind zu erwarten?
Wer noch immer ohne Erwerbseinkommen auf dem Arbeitsmarkt ist, ist entweder in kommunaler Beschäftigung oder in der Schattenwirtschaft oder hat andere Einkünfte und ist in Wahrheit gar nicht hilfebedürftig. In jedem Falle ist dies Stress oder Einkommensverlust.
Mit Unterstützung aus diesen 800.000 Bedarfsgemeinschaften ist nicht zu rechnen.
Bedarfsgemeinschaften mit einem Bruttoeinkommen von 200 bis 500 Euro monatlich je Erwerbsperson haben zwar stets mehr als das Existenzminimum und z.T. auch mehr als unter Hartz IV. Ihre Reaktion dürfte ambivalent sein: Einerseits spüren sie, dass sich Wege aus der Stagnation eröffnen. Andererseits werden viele das als Stress erleben, die sich an das arbeitsfreie Geld vom Amt gewöhnt hatten.
Mit Unterstützung dieser etwa 400.000 Bedarfsgemeinschaften ist nur bedingt zu rechnen.
Die größte Gruppe der Hilfebedürftigen mit mehr als 500 Euro je Erwerbsperson hat erstmals erlebt, dass sich Arbeit lohnt. Diese Haushalte verfügen über deutlich mehr als unter Hartz IV und mit Stufe 2 des liberalen Bürgergeldes hat sich ihre Lage noch ein weiteres Mal verbessert.
Etwa 1,6 Millionen Bedarfsgemeinschaften erleben die Reform als Erfolgsgeschichte. Aus ihnen ist mit Zustimmung zu rechnen.
Aber 38 Millionen Haushalte sind nicht unmittelbar betroffen von Hartz IV:
Nicht nur haben sie erlebt, dass die bisher als leistungsunfähig oder leistungsunwillig angesehenen etwas Leistungsbereitschaft zeigen.
Auch wurde die von ihnen vorgetragene Kritik aufgenommen und in einen neuen Reformschub umgewandelt.
Staatliche Haushaltsausgaben wurden reduziert.
Fast noch wichtiger: Bisher waren Bürger gewohnt, dass Politiker längerfristige Projekte aus Sorge um Machtverlust gar nicht erst angingen und stattdessen bei festgestellten Mängeln mit kurzfristigen Umverteilungen zugunsten der jeweils betroffenen Gruppen reagierten. Jetzt spüren sie:
Hier geht eine Partei eine zentrale Frage des Zusammenhaltes unserer Gesellschaft an.
Wenn die FDP die ersten beiden Stufen des Liberalen Bürgergeldes in einer Legislaturperiode auf den Weg bringt, wird sie mit breiter Zustimmung der Wähler rechnen können.
Sie wird gestärkt in die nächste Legislaturperiode gehen und damit ein Mandat zur Fortsetzung und Entwicklung des Bürgergeldes zur Unterbeschäftigungsversicherung erringen.
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 3
Durchgängig lohnende Leistungsanreize
In der dritten Stufe werden auch bei mehr als 500 Euro monatlich je Erwerbsperson höhere Zugewinnmöglichkeiten und damit durchgängig marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen. Das ist fiskalisch natürlich nur durchzusetzen, wenn der Beginn der Transferkurve weiter gesenkt wird: Das Modell entspricht nun im Wesentlichen dem Konzept der Aktivierenden Sozialhilfe des ifo-Instituts aus 2006 von Hans-Werner Sinn. Vom Verfassungsgericht dürfte zu diesem Zeitpunkt geklärt worden sein, dass wie schon vom Sachverständigenrat behauptet, die Einbeziehung der Bürger in das Wirtschaftsleben dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes besser Rechnung trägt, als sie mit existenzsichernden Lohnersatzzahlungen ruhig zu stellen. In Stufe 3 gilt daher:
Wer als Erwerbsfähiger gar keine Arbeit nachweist, hat auch keinen Anspruch auf den Regelunterhalt, wie es der dritten Sanktionsstufe des SGB II entspricht. Zurzeit verlöre ein Alleinstehender also noch einmal 170 Euro monatlich und hätte damit 420 Euro weniger als den Regelbedarf.
Ohne Arbeit hat man in Stufe 3 des Liberalen Bürgergeldes (Abb. 13, dunkelrot) nur Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe der Kosten der Unterkunft, für einen Alleinstehenden hier 430 Euro monatlich. Aber schon mit 200 Euro Bruttoeinkommen gewinnt man 120 % zuzüglich 100 Euro Werbekostenpauschale, also 340 Euro. Bis 600 Euro beträgt der Nettozugewinn dann 70 %, bis 1.200 Euro noch 30 % und darüber 25 %.

Nicht nur der Start ins Erwerbsleben lohnt nun ökonomisch, auch jede Mehrleistung.
Die Jobzentren müssen niemanden mehr ermahnen, sich um Arbeit zu bemühen oder kontrollieren, ob die „Leistungsempfänger“ ihre Verpflichtungen erfüllt haben.
Jetzt tun sie das aus eigenem Interesse. Jetzt sind sie wirklich „Kunden“ der Jobzentren, die sich nun auf Beratung konzentrieren können und müssen.
Damit wirkt Marktwirtschaft durchgängig, auch wenn die Anreize noch ungleich sind.
Wer bisher jedoch nicht mehr als 1.000 Euro monatlich erwirtschaftete, verliert nun allerdings etwas (Abb. 13, lila Pfeile nach unten). Überfordert wird dabei niemand: Mit nur 400 Euro Bruttoeinkommen im Monat bzw. 4.800 Euro im Jahr erreicht man das Existenzminimum. Das sind nur 9 Stunden wöchentlich bei 10 Euro Stundenlohn. Bei mehr als 1.500 Euro Bruttoeinkommen gewinnt man jedoch (orange Pfeile nach oben). Im Übrigen gilt:
Ohne Mehrleistungen bzw. Lohnsteigerungen sind Einkommensgewinne nicht zu erzielen (rote Pfeile nach rechts). Und bei einem Neustart in Vollzeit bei 9 Euro Stundenlohn beträgt der Nettostundenzugewinn 4,6 Euro statt 1,5 unter Hartz IV. Die Nachfrage ist gestiegen und damit auch die Chance auf höheren Lohn.
Und nachdem sich in den ersten beiden Stufen schon gezeigt hat, dass „Leistungsbezieher“ entgegen früheren Vorurteilen durchaus engagiert sein können, wird es auch genügend Arbeitsnachfrage für sie geben.
Abbildung 14 zeigt die Wirkung für eine Familie: Erzielt nach wie vor immer noch kein Elternteil irgendein Erwerbseinkommen, verliert die Familie noch einmal 300 Euro monatlich. Ohne anderweitige Einkommensquellen können von den verbleibenden 1.340 Euro vier Personen nicht leben. Aber Arbeitsangebote gibt es genug, nicht nur bei den Kommunen. Denn potenzielle Arbeitgeber wissen, jetzt lohnt sich Arbeit auch für Geringverdiener. Sie können damit rechnen, dass Arbeitnehmer ihre Aufgaben mit voller Motivation erfüllen. Beide Seiten haben gleichermaßen Interesse am Erfolg des Arbeitsverhältnisses.

Mit Arbeit für 400 Euro brutto im Monat verfügt die Familie über 560 Euro mehr als ohne Arbeit, mit 1.200 Euro über 1.100 Euro zusätzlich. Es lohnt sich, mehr zu leisten (rote Pfeile). Ein Neustart mit 9-Euro Vollzeitjob bringt 8 Euro Nettostundenzugewinn.
Mit 700 Euro Bruttoeinkommen im Monat ist das Existenzminimum gesichert.
Und weil diese Familien erleben, dass ihre Leistungen gesucht und geschätzt werden, wächst die Hoffnung Teil einer Gemeinschaft zu werden, in der Leistung zu ökonomischem Erfolg und zu Wertschätzung führt.
Kurzfristige Wirkung nach der Modellrechnung (Abb. 18):
Fast kein Haushalt mehr ohne Erwerbseinkommen.
Haushalte an der Grenze des Existenzminimums: maximal 500.000,
also weniger als ein Viertel der Ausgangszahl unter Hartz IV.
Weitere 300.000 Haushalte mit über 850 Euro Monatseinkommen.
Fiskalischer Gewinn gegenüber Stufe 2: Weitere 4 Milliarden Euro jährlich.
Von den wenigen, die jetzt noch ohne Arbeit sind, dürften die meisten übrigens Arbeitslosengeld I beziehen, weil die Lücken zwischen einem und dem nächsten Job kürzer werden.
Jetzt wird es Zeit, als Ersatz für das statisch angelegte Arbeitslosengeld 1 ein dynamisches Übergangsgeld zu entwickeln und durchzusetzen, das den Prozess der ständigen Anpassung an die Herausforderungen der Globalisierung, des technischen Fortschritts und der künstlichen Intelligenz besser unterstützt.
Wiederherstellung des freien Arbeitsmarktes
In den ersten beiden Stufen ging es darum, möglichst allen Bedürftigen überhaupt einen verlässlichen Zugang zum Arbeitsmarkt zu sichern. Bei denen, die abseits standen, wurde dabei bisher in Kauf genommen, dass der Arbeitsumfang noch recht bescheiden war. Wir konnten so davon ausgehen, dass dafür hinreichende Nachfrage gegeben war.
Mit der dritten Stufe soll der Umfang der geforderten Leistungen ausgeweitet werden. Dabei wird es nicht reichen, sich auf die Motivation des Arbeitsangebotes zu verlassen. Jeder Arbeitgeber muss die geschaffenen Waren und Dienstleistungen auch zu einem kostendeckenden Preis anbieten können. Jeder Haushalt wird eine Dienstleistung nur in Anspruch nehmen, wenn der Wert der gewonnenen Freizeit oder ein damit mögliches Zusatzeinkommen höher scheint als der zu zahlende Preis.
Der Anhang untersucht unsere Handlungsspielräume anhand der Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes von 1993 bis 2013. Ergebnis: Zwar werden die meisten Menschen deutlich mehr als den Mindestlohn erwirtschaften können; aber die zusätzliche Nachfrage nach Arbeit dürfte im Bereich von 6-12 Euro Stundenlohn zehnmal so hoch sein wie im Bereich von 12-24 Euro. Wenn wir also den bisher geringfügig Beschäftigten eine rasch zu realisierende Chance auf einen Vollzeitjob geben wollen, kann man geringere Löhne nicht mehr auf Ausnahmefälle beschränken. In der dritten Stufe gilt darum:
Gesetzliche Mindestlöhne sind bei Aufnahme einer neuen Arbeit mindestens für einen Einstiegszeitraum aufzuheben.
Die Lohnfindung wird wieder die entscheidende Aufgabe der Tarifpartner.
Nach den vorangegangenen Reformstufe 2 dürfte dies von der Öffentlichkeit akzeptiert werden. An einigen Beispielen wird man das verdeutlichen können:
Fall 1: Eine verheiratete Ärztin möchte nach der Geburt ihres zweiten Kindes gerne wieder ihrem Beruf nachgehen. In der Schwangerschaftsvorbereitung hat sie eine andere Frau kennengelernt, die bereit wäre, die drei Kinder gemeinsam in ihrem Hause aufzuziehen. Als junge Ärztin erhält sie netto 1.900 Euro. Sie hat sich überlegt, sie wäre bereit, 1.400 Euro dafür aufzuwenden. Ihr bleibt dann zwar nicht viel Zugewinn übrig; aber es ist für sie die einzige Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln und mehr Verantwortung übernehmen zu können. Das Hauptzollamt müsste es verbieten: Zwar hätte die andere Frau damit 1.200 brutto und mit Kindergeld und Liberalem Bürgergeld Stufe 3 monatlich 1.400 Euro netto. Aber der Stundenlohn läge bei 7 Euro und damit unter dem zulässigen Mindestlohn.
Bei Durchsetzung des Mindestlohngebotes würde die Ärztin wie heute viele ihrer Kolleginnen ihren Beruf nicht ausüben können und aufgeben. Die andere Frau gäbe ihr Kind vielleicht in eine Krabbelstube, wenn es die denn gibt, oder wäre arbeitslos.
Die Unterschreitung des Mindestlohns erlaubt zwei Frauen ein erfülltes Leben und beschert dem Staat zusätzliche Einnahmen von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern.
Fall 2: Eine alte Dame mit 1.600 Euro Rente möchte nicht ins Altersheim, kommt aber allein nicht mehr zurecht. Sie kann sich vorstellen, für eine Halbtagsbetreuung 600 Euro, nach Abzug von Steuern und Versicherungen 450 Euro zu zahlen. Eine Bekannte, 55 Jahre, wäre bereit dazu. Sie hatte ihren Job verloren und sieht keine Aussicht auf Neuanstellung, nachdem das Arbeitslosengeld 1 ausgelaufen ist. Mit dann 450 Euro hätte sie beim Bürgergeld Stufe 3 (Abb. 13) ein Nettoeinkommen von 950 Euro. Aber ein entsprechender Vertrag würde mit 5 Euro Stundenlohn gegen das Mindestlohngebot verstoßen und wäre damit unzulässig. Der Verwaltungswirtschaftler muss dies untersagen und schickt die Dame ins Heim. Ihr Einkommen würde als Eigenanteil genügen. Die restlichen Kosten wären zu Lasten der Allgemeinheit aus der Pflegekasse zu bestreiten. Dabei gibt es doch gar keinen Grund, warum die beiden Frauen sich nicht in dieser Weise einigen dürften:
Die alte Dame darf in ihrem Haus bleiben, der Staat spart Kosten der Pflegekasse und die Bekannte hat eine Halbtagsarbeit, die ihr Spaß macht und von der sie leben kann.
Fall 3: Die Stadt Mansfeld-Südharz hat seit der Wende 25 % seiner Einwohner verloren und noch immer eine Arbeitslosenquote von fast 10 %. Da hat ein pfiffiger Unternehmer die Idee, traditionelle Korbmöbel herzustellen und sie online bundesweit zu vertreiben. Die Fertigung ist sehr arbeitsintensiv. Bei 12 Euro Mindestlohn, wie er Korbflechtern in Köln gezahlt wird, wären seine Möbel nicht konkurrenzfähig. Startet er nun aber mit 7 Euro Stundenlohn, könnte er sie preiswert überallhin absetzen. Für seine Mitarbeiter wäre das gar kein Problem. Bei 840 Euro Bruttolohn und 30 Wochenstunden hätten sie in Stufe 3 des Liberalen Bürgergeldes als Alleinstehende 1.130 Euro netto. Wenn sie womöglich ihr Gemüse aus dem elterlichen Garten beziehen, kann das sogar ein recht akzeptables Einkommen sein. Jedenfalls wäre ihr Lebensstandard wesentlich höher, als wenn sie mangels örtlicher Arbeit in eine Großstadt ziehen und dort bei höherem Lohn hohe Mieten zahlen müssten.
Nicht nur den betroffenen bisher Erwerbslosen ist damit geholfen. Das Beispiel macht anderen Mut, sich nicht dem Selbstmitleid hinzugeben und ähnliche Initiativen zu ergreifen. Bürgermeister von Auszehrung bedrohter Kommunen z.B. im Sächsischen Braunkohlenrevier werden gemeinsam mit Jobzentren solche Neustarts initiieren und damit die weitere Ausdünnung ihrer Heimat abbremsen. Großstädter können sich freuen, weil die Mieten nicht noch mehr steigen.
Es ist also ein Instrument des regionalen Ausgleichs.
Fall 4: Ein junger Ingenieur will ein neues Gerät entwickeln, von dem er sich großen Nutzen verspricht. Er schätzt, dass er zur Marktreife ein ganzes Jahr lang einen Mitstreiter braucht. Er kennt auch einen geeigneten jungen Mann, der von dem Projekt überzeugt ist. In einem etablierten Unternehmen könnte der in dieser Zeit allerdings ein Gehalt von 25.000 Euro erwarten. Mit der Aussicht im Erfolgsfall später wesentlich mehr zu verdienen, ist er bereit, ein Jahr lang für 12.000 Euro mitzumachen. Das wären aber nur 6 Euro je Stunde. Soviel sowie 2.000 Euro Arbeitgeber-Anteil an Sozialversicherungen könnte der Ingenieur grade noch bereitstellen. Für die junge Familie wäre es dennoch ausreichend. Mit Liberalem Bürgergeld Stufe 3 hätte sie 2.330 Euro monatlich (Abb. 14). Soll das Zollamt den Vertrag untersagen, weil er gegen das Mindestlohngebot verstößt und ihn auffordern gefälligst zu warten, bis ihm vielleicht ein staatlicher Wagniskredit gewährt wird? Beiden Seiten schien es die bestmögliche Entscheidung zu sein. Ob das Projekt ein Erfolg wird, lässt sich vorab nicht sagen. Vielleicht bekommen sie ja nach einem Jahr den gewünschten Wagniskredit.
Ohne dass mutige Menschen immer wieder etwas wagen, gibt es keinen Fortschritt und den sollte man nicht bremsen.
Dies ist kein Plädoyer für extreme Niedriglöhne. Hohe Löhne liegen durchaus im Interesse der Gesellschaft, solange Waren und Dienstleistungen dadurch nicht so teuer werden, dass nicht mehr alle Menschen in den Wirtschaftsprozess eingebunden werden. Menschen gewinnen mehr Konsummöglichkeiten, der Staat Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.
Im Fall 1 kann die Kinderbetreuerin vielleicht ein oder zwei weitere Kinder umsorgen und dabei mehr als 10 Euro Bruttolohn erzielen. Der Altenbetreuerin aus Fall 2 gelingt es vielleicht, eine Alten-WG zu organisieren und dabei deutlich mehr zu verdienen. Falls die Korbmöbel aus Fall 3 ein Erfolg werden, werden die Preise erhöht und bessere Löhne gezahlt. Der Ingenieur aus Fall 4 wird im Erfolgsfalle den Lohn für seinen Mitstreiter mehr als verdoppeln. Andernfalls haben beide viel gelernt und müssen einen neuen Anfang suchen.
In all diesen Fällen ist ein Start bei niedrigem Lohn Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung eines neuen Betätigungsfeldes.
Spätestens in der dritten Stufe werden wir gesellschaftliche Zusammenhänge darstellen müssen und dann auch verstanden werden. Damit können wir Liberalismus wieder als tragfähiges Konzept mehrheitsfähig machen:
– Technischer Fortschritt und Globalisierung drücken durch Konkurrenz von Maschinen und ausländischer Arbeit die Bruttolöhne, die sich bei uns am Markt im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben.
– In der Folge können viele Erwerbstätige bei uns davon nicht angemessen leben.
Deshalb zerbricht das Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft, dass jeder bei Einsatz seiner Fähigkeiten vom Marktlohn einen anerkannten Platz in unserer Gesellschaft findet.
– Die Differenz zwischen dem Marktlohn und einem sozialverträglichem Lebensunterhalt schließt das Liberale Bürgergeld.
Das hat zur Folge:
– Auf einem freien Arbeitsmarkt gibt es nach der Anlaufzeit überall Arbeitsnachfrage auch für alle, die grade ihren Job verloren haben.
– Wem die angebotenen Löhne zu niedrig sind, sucht sich einen anderen Arbeitgeber.
– Die Kräfte auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen inzwischen Arbeit für Alle.
– Für dauerhafte Niedrigst-Löhne ist deshalb kein Raum mehr.
Die fiskalischen Kosten sinken dank des Beitrages, den diejenigen leisten, die unter Hartz IV bisher an den Rand und aus dem Wirtschaftsgeschehen gedrängt wurden.
Politische Wirkungen der dritten Stufe
Linke werden weiterhin kritisieren, dass Menschen so unter Druck gesetzt werden, dass sie arbeiten müssen. Weil nun aber fast alle in irgendeiner Form im Erwerbsleben stehen und Erfolge damit erleben, werden sie damit wenig Widerhall finden.
Hilfebedürftige mit Einkommen bis 1200 Euro werden Nettoverluste hinnehmen müssen und damit z.T. Vergünstigungen verlieren, die sie erst in der vorigen Stufe erhielten. Soweit sie sich nicht engagieren, werden sie enttäuscht sein. Aber dafür werden sie nun von den Jobzentren kaum noch bedrängt, sich vermehrt um bessere Arbeit zu bemühen. Das tun sie jetzt aus eigenem Antrieb und die Agentur für Arbeit erleben sie nun nicht mehr als Kontrollorgan sondern als echten Dienstleister. Ein anderer Teil der Betroffenen wird sich gestärkt fühlen durch die Anerkennung. Die Senkung der Transferleistungen wird entweder durch höhere Leistungen oder höhere Löhne ausgeglichen, weil die Nachfrage gewachsen ist Die Reaktion dieser gut einer Million Haushalte wird also nicht einheitlich sein.
Die obersten gut zwei Millionen betroffener Haushalte partizipieren durch die erneute leichte Anhebung des Transferniveaus. Sie erleben zugleich wachsende Anerkennung ihrer Leistungen mit entsprechenden Lohnsteigerungen durch wachsende Löhne. Zudem ist der Nettogewinn der Mehrarbeit gewachsen und damit ihre Bereitschaft zu Leistungssteigerungen.
Alle nicht von Transferleistungen Betroffenen können eine Vielzahl von Dienstleistungen nutzen, die es bisher in dieser Vielfalt und Qualität nicht gab.
Entscheidende Voraussetzung für den Erfolg dieser Phase wird sei, Zusammenhänge des Marktes begreifbar zu machen und Sie anstelle bisheriger Scheinwahrheiten ins öffentliche Bewusstsein zu heben. Dazu haben die ersten drei Stufen des Liberalen Bürgergeldes schon genug Anschauungsmaterial geboten:
– Löhne haben mit der Würde des Menschen nichts zu tun.
– Ein nicht existenzsichernder Marktlohn ist zunächst einmal Ergebnis technischen Fortschritts und der Globalisierung, nicht der persönlicher Mangel eines Menschen.
– Niemand muss sich schämen, wenn eine Verkäuferin für das Behüten ihres Kindes nicht mehr als 7 Euro die Stunde zahlen kann.
Entscheidend:
Niemand ist mehr von der Teilnahme am Wirtschaftsleben ausgeschlossen.
Alle haben eine Aufgabe, für die sie von anderen geschätzt werden.
Aber Kritik wird nun von den Nicht-Hilfebedürftigen kommen. Sie erhalten bisher keine Erleichterungen, wenn sie dank ökonomischer Umbrüche gezwungen sind, geringer bezahlte Arbeit anzunehmen. Sie wagen nicht, Kindern ein Leben zu schenken, weil sie Karriereeinbrüche und gravierende Einkommensverluste fürchten.
Es wird also Zeit, die von allen gehasste Bedürftigkeitsprüfung abzuschaffen.
Das ist das Versprechen, mit dem wir zur nächsten Wahl antreten müssen.
Die FDP wird damit weiter gestärkt in die dritte Legislaturperiode gehen können.
Das Liberale Bürgergeld 2025: Stufe 4
Aufhebung der Bedürftigkeitsprüfung
Mit jedem Schritt wurden Hilfebedürftige stärker in das Wirtschaftsgeschehen einbezogen. Alle anderen hatten davon zwar auch Vorteile. Aber je weiter dieser Prozess fortschreitet, desto eher werden sich nicht Hilfebedürftige fragen, warum Menschen bei gleicher Arbeit am gleichen Ort über ganz unterschiedliche Nettoeinkommen verfügen. Der alleinstehende Verkäufer mit brutto 1.000 Euro hat netto 820 Euro (Abb. 13, grün), falls er im eigenen Haus lebt, sein Kollege als Mieter für die gleiche Leistung 1.170 Euro netto (rot). Der Familienvater hat als Lagerarbeiter mit brutto 1.500 Euro, wenn er über Eigentum verfügt, netto 1.610 Euro (Abb. 14, grün), jedoch 2.560 Euro, wenn er ohne Eigentum ist und seine Hilfebedürftigkeit nachweisen kann (rot). Das war so zwar auch schon unter Hartz IV. Für den nicht Hilfebedürftigen sinkt der Lebensstandard mit jedem Kind, für Hilfebedürftige bleibt er konstant. Aber Neid konnte früher nicht wirklich aufkommen, weil niemand mit den Hartz-IV-Beziehern hätte tauschen wollen und damals die Nettoeinkommensdifferenz noch etwas geringer war. Aber nun sind alle Hilfebedürftigen in Arbeit. Auf Dauer wird das Empörung auslösen.
Warum wird der Sparsame bestraft und so viel schlechter gestellt wird als derjenige, der sein Einkommen für Zigaretten oder teure Autos verbraucht hat?
Aber auch die Hilfebedürftigen, die in den Genuss des Liberalen Bürgergeldes kommen, sind nicht wirklich zufrieden. Zwar leisten sie einen Beitrag zum Wirtschaftsergebnis unseres Landes; aber das ihnen mit dem Liberalen Bürgergeld zugebilligte Transfereinkommen erhalten sie nur, wenn sie in gleicher Weise als Bittsteller auftreten und ihre Bedürftigkeit nachweisen wie seinerzeit noch unter Hartz IV. Zwar müssen sie nicht mehr mit so vielen Abmahnungen rechnen wie noch 2019, weil man damit rechnet, dass sie sich aus eigenem Antrieb um sinnvolle Arbeit bemühen. Aber die demütigende Überprüfung ihrer persönlichen Lebensverhältnisse ist die gleiche geblieben: Als Alleinstehende müssen sie belegen, dass zwei Menschen in einer Wohnung keine Bedarfsgemeinschaft sind und wenn sie heiraten, erleiden sie Einkommensverluste, obwohl sie damit zur Stabilisierung unserer Gesellschaft beitragen. Zugleich ist die Zahl der nach SGB II „Hilfebedürftigen“ seit Hartz IV gestiegen. Während man unter Hartz IV als Alleinstehender mit staatlichen Zuschüssen rechnen konnte, wenn man nicht mehr als 1.500 Euro monatlich verdiente, wurde die Anspruchsberechtigung in Stufe 3 auf 2.200 Euro (Abb. 13, lila Pfeil nach rechts) erweitert und z.B. für Familien von 2.700 auf 3.500 Euro Bruttoeinkommen (Abb. 14). Während unter Hartz IV ca. 3,2 Millionen Haushalten ihre Bedürftigkeit nachweisen mussten, sind es jetzt zwei Millionen mehr.
Nachdem nun aber fast jeder Arbeit hat, von der er leben kann, gibt es keinen Grund mehr, Leistungsschwächere durch ihre Abhängigkeit von der Gewährung staatlicher Zuschüsse zu stigmatisieren.
Es gibt auch keinen Grund mehr, Verantwortungsbewusste ökonomisch schlechter zu stellen, weil sie sparsam und intelligent gewirtschaftet haben.
Mit Stufe 4 des Liberalen Bürgergeldes 2025 entfällt die Bedürftigkeitsprüfung bis auf wenige Ausnahmen.
Wer arbeitslos wird, erhält zunächst ein Übergangsgeld.
Das liegt anfangs bei 80 bis 90 % des bisherigen Nettoeinkommens, sinkt aber kontinuierlich. Es hilft auf dem Wege zu neuer Arbeit. Es ersetzt das ALG I. Man könnte davon anfangs auch ohne Arbeit leben. Aber jede noch so geringfügige Arbeitsaufnahme bring sofort wirtschaftlichen Vorteil. Und jeder weiß: Spätestens am Ende des Jahres steht eine Situation, in der Arbeit notwendig ist. Denn dann gilt ausschließlich das Liberale Bürgergeld Stufe 4:
Jeder erhält als Start ein Bürgergeld. Es wird ohne Prüfung der Bedürftigkeit gezahlt. Für Erwachsene beträgt es monatlich 300 Euro, für das erste Kind 180 Euro, für alle weiteren Kinder 220 Euro.
Weil die Entscheidung, Kinder aufzuziehen nicht von Anfang an eine Entscheídung zur Minderung des Lebensstandards sein darf, gibt es bei Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr 100 Euro zusätzlich.
Ein erwerbsfähiger Alleinstehender erhält also eine monatliches Grundeinkommen von 300 Euro, ein Paar 600 Euro und eine Familie mit zwei Kindern 1.000 Euro, solange niemand arbeitet. Das Bürgergeld für Kinder bleibt auch bei Erwerbseinkommen immer voll erhalten. Es ersetzt das Kindergeld. Bis 200 Euro Bruttoeinkommen bleibt auch das Bürgergeld für Erwachsene voll erhalten; außerdem werden 100 Euro pauschalierte Werbekosten gutgeschrieben. Diese Grenze erhöht sich je Kind im Haushalt um 200 Euro. Danach schmilzt das Bürgergeld langsam ab. Von 200 bis 600 Euro 55 % Nettogewinn bleiben. Diese Stufenlänge erhöht sich je Kind im Haushalt um weitere 200 Euro. Danach bleiben 42 % Nettogewinn, bis das Sockeleinkommen abgeschmolzen ist. Die Wirkung ist für die unterschiedlichen Haushaltsformen durchaus nicht gleich. Generell gilt:
Es herrschen hohe Leistungsanreize in allen Einkommensbereichen.
Der Gegensatz zwischen Marktwirtschaft und Versorgungswirtschaft ist aufgehoben.
Allerdings: Bisher Hilfebedürftige (rot) verlieren (lila Pfeile).
Bisher nicht Hilfebedürftige (grün) gewinnen (orange Pfeile).
Zunächst am Beispiel eines Alleinstehenden (Abb. 15, orange): Bisher Hilfebedürftige verlieren in Stufe 4 als Geringverdiener bis zu 200 Euro finanzieller Unterstützung. Dafür sind sie nun aber aller Nachweisverpflichtungen vor den Jobzentren entledigt, müssen sich nicht mehr als Menschen zweiter Klasse fühlen. Sie können ohne Nachteile Vermögen bilden und Erbschaften annehmen. Genügt ihnen ihr neuer Nettolohn nicht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Mehr Leistung (rote Pfeile nach rechts) oder Zusammenschluss mit einem Partner (Abb. 16).

Mit einem Bruttoeinkommen von 700 Euro (blauer Kreis) erreicht der Alleinstehende aber das Existenzminimum. Das entspricht z.B. 9 Euro bei einer 17-Stundenwoche. Geringere Einkommen sind nach Durchlaufen der ersten drei Stufen des Bürgergeldes die seltene Ausnahme: Um Menschen, die nicht mehr erwirtschaften, weil sie mit eigenem Vermögen, kostenlosem Wohnen, Gemüseanbau, Unterstützung durch Freunde oder Schwarzarbeit genug haben oder gar um Kriminelle müssen wir uns mindestens keine ökonomischen Sorgen machen. Wer dann noch nicht versorgt ist, kann sich an die Kommune wenden und seinen Regelbedarf durch eine Arbeitsgelegenheit (orange gepunktete Waagerechte) decken. Für langfristig Kranke oder Erwerbsgeminderte gibt es allerdings eine Sonderregelung.
Es leidet also wirklich niemand Not. Alle jedoch, die bisher nicht als hilfebedürftig galten (grün), gewinnen dazu (rote Pfeile nach oben), Geringverdiener bis über 300 Euro.
Für Paare ohne Kinder (Abb. 16) sinkt das Einkommen für Hilfebedürftige nur wenig (lila Pfeil). Das existenzsichernde Einkommen (blauer Kreis) wird schon mit einem gemeinsamen Bruttoeinkommen von 800 Euro erreicht, also mit 2 mal 10 Wochenstunden je 9 Euro. Bei getrennten Haushalten hätte dazu jeder für sich beim gleichen Lohn 17 Stunden arbeiten müssen.
Weil Stufe 4 des Bürgergeldes 2025 sich nicht an Bedürftigkeit orientiert sondern ausschließlich an Leistung, kommt der Vorteil gemeinsamer Haushaltsführung dem Paar voll zugute. Gemeinsam leben lohnt nun auch ökonomisch.
Dementsprechend sind die Einkommensgewinne für alle Nicht-Hilfebedürftigen wesentlich höher: Ab 3.200 Euro brutto gibt es keine Differenzen mehr.

Eine Familie mit zwei Kindern (Abb. 17) gewinnt ab 1.500 Euro Monatseinkommen dazu, wenn beide Kinder noch unter drei Jahren sind (gestrichelte Linie, orange). Sobald die Kinder in den Kindergarten können, wäre der finanzielle Verlust für bisher Hilfebedürftige bis zum Einkommen von 2.000 Euro jedoch erheblich (lila Pfeile), bei brutto 1.200 Euro beträgt er 350 Euro. Viele werden das als unerträgliche Härte empfinden. Aber nachdem sich so viel bewegt hat und sichtbar wurde, dass mit der schon unter Stufe 3 geschaffenen Motivation genügend Arbeitsplätze für alle entstanden sind, wird die Gesellschaft für weitergehende Subventionen kein Verständnis haben. Um das existenzsichernde Bruttoeinkommen von 1.200 Euro (rechter blauer Kreis) zu erreichen, müssten Eltern z.B. nur je 15 Wochenstunden zu 9,0 Euro arbeiten, bei zwei Kleinkindern sogar nur je 19 Stunden (linker blauer Punkt).
Es fällt also niemand durch das soziale Netz.
Man wird erwarten, dass sie mehr leisten (rote Pfeile). Sollten sie jedoch keine Möglichkeit sehen, steht die Kommune mit ihrem Angebot von Arbeitsgelegenheiten weiterhin bereit. Da der erste Markt sicher bessere Verdienstmöglichkeiten hergibt, werden sie dort suchen und auch etwas Passendes finden. Ergebnis:
Die Kinder dieser Eltern werden spätestens jetzt lernen, dass Arbeit sich lohnt und dementsprechend auch Bildung.
Familien jedoch, die als nicht hilfebedürftig galten, gewinnen erheblich (orange Pfeile).
In dieser Gesellschaft wachsen keine Kinder mehr in Armut auf.

Abbildung 18 fasst die Ergebnisse der Modellrechnung des in drei Legislaturperioden vollzogenen Reformprozesses für bisher Hilfebedürftige zusammen. Dabei beziehen sich die fiskalischen Gewinne stets auf die Veränderung gegenüber der vorigen Stufe. Beim Liberalen Bürgergeld Stufe 4 sind schon in kurzer Frist ohne Erwerbseinkommen fast nur noch Haushalte mit Erwerbspersonen in einer Ausbildung.






Weniger als 850 Euro Bruttoeinkommen erwirtschaften nach der Modellrechnung nur noch etwa eine Millionen Haushalte. Im Wesentlichen sind das Alleinstehende oder Paare, denen das reicht. Soweit es Familien betrifft, dürften die Ernährer im Wechsel zwischen zwei Jobs sein, wo sie dank dynamischem Übergangsgeld netto auch deutlich mehr als das Existenzminimum haben
Alle haben eine Aufgabe, von der sie leben können.
Fiskalischer Gewinn kurzfristig: über 6 Mrd. jährlich gegenüber Stufe 3,
mittelfristig weitere fast 7 Mrd. jährlich.
Mit jeder Reformstufe sinkt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ohne Erwerbseinkommen (lila).
Mit jeder Stufe steigt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit höheren Einkommen.
Mit jeder Stufe erhöht sich die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Jede Stufe erzielt zusätzliche fiskalische Ersparnisse (orange)
– erst weil Lohnersatzleistungen durch Lohnergänzungsleistungen ersetzt werden,
– dann weil die Ergänzungszahlungen schrumpfen
– und schließlich, weil Sozialversicherungsbeiträge sowie Steuern gezahlt werden.
Ob in Betrieben oder in Privathaushalten: Die Nachfrage nach den nun durchgängig gut motivierten Mitarbeitern wächst. So lange sich von deren Leistung jemand Vorteile erhofft, besteht kaum Gefahr, dass Betriebe sie dauerhaft für Minimallöhne arbeiten lassen könnten. Das verhindert nun der Markt. Während es unter Hartz IV für einen Mitarbeiter kaum einen Unterschied machte, ob er als Hilfebedürftiger einen Stundenlohn von 6,0 oder 9,0 Euro erzielte, beträgt bei Ganztagsarbeit die Differenz jetzt 250 Euro monatlich. Diese Arbeitnehmer werden alles daran setzen, dem Arbeitgeber höhere Löhne abzutrotzen, um die mit dem vierten Reformschritt zunächst hingenommenen Einkommenseinbußen auszugleichen. Die bisher nicht Hilfebedürftigen hingegen werden sich gegen jeden Versuch zur Senkung ihrer bisherigen vertraglichen und zunächst ja noch arbeitsrechtlich geschützten Löhne massiv zur Wehr setzen und Gewerkschaften werden sie darin mit Nachdruck unterstützen.
Mit der vierten Stufe wurde endlich das Bedürftigkeitsorientierte Fürsorgeprinzip vollständig durch das Leistungsprinzip abgelöst:
– Das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft ist aufgehoben.
Ob und wie Menschen zusammenleben, geht den Staat nichts mehr an.
– Eine Vermögensanrechnung findet nicht mehr statt.
Der Staat will niemanden benachteiligen, der sparsam lebt und Kapital bildet.
Für die Behandlung ererbten Vermögens ist nur die Erbschaftssteuer zuständig.
Familienpolitik
Dieser Reformschritt führt allerdings auch zu einem Paradigmenwechsel der Familienpolitik.
Dafür sorgen:
1. Die Aufhebung des Fürsorgeprinzips,
2. Die kinderzahlabhängige Erweiterung der ersten beiden Zugewinnstufen um jeweils 200 Euro je Kind und
3. der Kleinkinderzuschlag von 100 Euro je Kleinkind bis 3 Jahren.
Bisher ging die Gesellschaft davon aus, dass Eltern Kinder bekommen und der Staat sich im Nachhinein darum kümmern muss, falls diese Kinder in Not aufwachsen
Das Liberale Bürgergeld 2025 setzt Anreize, die Geburtenzahl zu erhöhen, und versucht zugleich zu vermeiden, dass Not für Familien mit Kindern überhaupt entsteht.
Beides ist notwendig. Denn Kindernachwuchs ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Geburtenrate ist auf 1,5 Kinder/weiblicher Geburt gesunken. 2,2 wären nötig, wenn wir unsere Geburtenzahl konstant halten wollen. Die Geburten konzentrieren sich zudem oft auf Hartz-IV-Abhängige, bei denen inzwischen 15 % unserer Kinder aufwachsen, sowie auf Ausländer oft mit der Folge sozialer Spannungen. Wir schrumpfen nur nicht, weil wir älter werden.
Die mit dem Liberalen Bürgergeld in Stufe 4 vollzogene Änderung sei exemplarisch am Beispiel eines Paares verdeutlicht, das vier Kindern ein Leben schenken möchte, während der Vater 2.000 Euro monatlich verdient. In der folgenden Tabelle sind für den Fall, dass jedes Jahr ein Kind geboren wird, nebeneinandergestellt: Regelbedarf Hartz IV incl. Kosten der Unterkunft, Nettoeinkommen 2019 für nicht Hilfebedürftige, 2019 für Hilfebedürftige sowie unter dem Liberalen Bürgergeld Stufe 4. Jeweils hinter den verfügbaren Einkommen steht die Differenz zum Regelbedarf als Maßstab zur Beurteilung des Lebensstandards (grün, lila, orange).
Einkommen eines Partners: 2000 Euro/Monat Kleinkinderbonus 100 Euro/Monat
Kinder Jahr Regel- 2019 nicht Diff. zu 2019 Diff. zu Liberales Diff. zu
-zahl bedarf hilfebed. Exist. hilfebed. Exist. Bürgergeld Exist.
kein Kind vorher 1.320 1.580 + 260 1.590 + 270 1.890 + 570
1 Kind 1. Jahr 1.720 1.780 + 60 1.990 + 270 2.310 + 590
2 Kinder 2. Jahr 2.100 1.980 – 120 2.370 + 270 2.760 + 660
3 Kinder 3. Jahr 2.460 2.180 – 280 2.730 + 270 3.170 + 710
4 Kinder 4. Jahr 2.800 2.380 – 420 3.070 + 270 3.470 + 670
„ 5. Jahr 2.800 2.380 – 420 3.070 + 270 3.380 + 580
„ 6. Jahr 2.800 2.380 – 420 3.070 + 270 3.280 + 480
„ 7. Jahr 2.840 2.380 – 460 3.110 + 270 3.180 + 340
Auf den Lebensstandard von Familien, die sich heute als Hilfebedürftige mit Hartz IV abgefunden haben, hat die Zahl der Kinder kaum Einfluss (Spalte 7, lila).
Für Nicht-Hilfebedürftige hingegen, die mit ihren Leistungen unsere Wirtschaft tragen und sich Eigentum geschaffen haben, sinkt bisher der Lebensstandard mit jedem Kind (Spalte 5, grün) zuzüglich des möglicherweise entfallenden Einkommens der Mutter.
Im betrachteten Falle beträgt der Wohlstandsverlust bei vier Kindern trotz Kindergeld mehr als 700 Euro monatlich. Nicht hilfebedürftige Paare, die in das Hartz-IV-Milieu nicht absinken wollen, „leisten sich“, wenn sie nicht sogar ganz darauf verzichten, darum oft nur ein Kind.
Beim Liberalen Bürgergeld steigt der Wohlstand zunächst mit jedem Kind (Spalte 9, orange).
Erst wenn die Kinder drei Jahre erreicht haben und der Kleinkinderzuschlag fortfällt, sinkt der Lebensstandard etwas. Sofern der Hauptverdiener bis dahin keinen Einkommenszuwachs durchsetzen kann, hat nun auch die Ehefrau die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit, wenn die Kleinen den Kindergarten besuchen. Generell gilt:
Sobald ein Paar zusammensteht und wenigstens ein mäßiges Einkommen erzielt, ist es mit Bürgergeld 2020, Stufe 4, wirtschaftlich leicht, Kinder groß zu ziehen.
Die beiden hätten auch den Spielraum, sich eine Haushaltshilfe in Teilzeit zu leisten.
Und je mehr Kinder es sind, desto leichter fällt es.
Das führt dazu, dass kaum noch Kinder in Armut, aber viel mehr in Familien aufwachsen, für die Leistungsdenken selbstverständlich ist.
Es geht also nicht um Privilegierung Besserverdienender.
Es geht um Chancengleichheit für diejenigen, die vorausschauend Vermögen gebildet haben.
Es befreit uns zugleich von der Versuchung zur demografischen Stabilisierung nach gebährfreudigeren Einwanderern zu rufen.
Fiskalische Langzeitwirkungen
Die finanziellen Entlastungen bei den nach SGB II Hilfebedürftigen addieren sich in der Summe der vier Stufen auf jährlich mehr als 30 Milliarden Euro. Welche ökonomischen Auswirkungen aber haben die Veränderungen für die übrige Gesellschaft?
1. Übergangsgeld anstelle des bisherigen Arbeitslosengeldes I dürfte jährliche Einsparungen von etwa 10 Milliarden Euro bringen.
2. Die Übernahme von Hilfsarbeiten durch Leistungsschwächere erhöht die Produktivität der höher qualifizierten Mitarbeiter und damit deren Einkommen und Steuerzahlungen.
3. Das Angebot günstigerer haushaltsnaher Dienstleistungen entlastet Erwerbstätige und ermöglicht ihnen, ihre besser bezahlte Haupttätigkeit auszudehnen.
4. Der Fortfall aller Bedürftigkeitsprüfungen bei der Bundesagentur für Arbeit lässt Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich erwarten.
5. Stärkeres selbstverantwortliches Handeln bisher „Hilfebedürftiger“ macht staatliche Hilfe in vielen Fällen unnötig. Betroffene lösen ihre Probleme selbst.
6. Etwa drei Millionen Kinder lernten bisher von ihren Eltern, dass Leistung nicht lohnt. Nun erfahren sie das Gegenteil und dass Lernen sie voranträgt Es wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen, bis dies voll zum Tragen kommt. Aber wenn in der nächsten Generation die Hälfte der betroffenen Jugendlichen ihre Leistungen auch nur um 20 % erhöht, führt es bereits zu einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um mehr als 250 Milliarden Euro und zu fiskalischen Gewinnen in Höhe von jährlich über 100 Milliarden Euro.
7. Gesellschaftliche Anerkennung von bisher frustrierten Außenseitern führt zu weniger Kriminalität. Auch über Generationen gewachsene Verhaltensstrukturen lösen sich langsam auf.
8. Die Neigung zu Schwarzarbeit auch der Leistungsstärkeren dürfte zurückgehen, wenn dies gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert wird. Würde auch nur ein Fünftel der Schattenwirtschaft der nicht Hilfebedürftigen in legale Arbeit umgewandelt, führt dies zu staatlichen Mehreinnahmen von etwa 25 Milliarden Euro jährlich.
Die Schätzungen der Wirkungen emotionaler Veränderungen erscheinen natürlich reichlich spekulativ. Aber dass man sie nicht gering achten darf, wurde im Rahmen der Diskussion um die europäische Schuldenkrise deutlich. So dürfte z.B. ein Teil der griechischen Schuldenkrise durch den von Jahrhunderten Osmanischer Unterdrückung bedingt sein, wonach der Staat der Gegner ist und Steuerzahlungen grundsätzlich Geldverschwendung sind, was eine ganz andere Qualität hat als die bei uns nicht ungewöhnlichen Versuche zu „Steuerersparnissen“.
Man sieht daran, wie Verhaltensweisen, die in den Köpfen der Bürger verankert sind, oft weit größere Wirkungen entfalten als dies die unmittelbaren Veränderungen des Transfersystems zunächst erwarten lassen. Danach ist zu vermuten, dass die tatsächlichen durch den Mentalitätswandel bedingten Veränderungen noch wesentlich stärker ausfallen als hier ansatzweise skizziert. Über alle sozialen Aspekte hinaus wird damit deutlich:
Die stufenweise Entwicklung der Bürgergeldes 2025 bei Hilfebedürftigen führt zu relativ klar zu ermittelnden fiskalischen Ersparnissen von mehr als 30 Milliarden Euro jährlich. Der langfristige Effekt für die nächste Generation weit höher sein.
Voll wirksame Marktwirtschaft führt zur optimalen Koordination unserer Fähigkeiten.
Politische Wirkungen der vierten Stufe
Indem die Gesellschaft diesen vierstufigen Reformprozess durchlief, hat sich ihr Verständnis vom Arbeitsmarkt gewandelt. Sie hat verstanden:
– Löhne müssen unter Beteiligung der Sozialpartner am Markt gebildet werden.
– Nur dann ist es möglich, alle Menschen in den Wirtschaftsprozess zu integrieren.
– Wir wünschen uns zwar höhere Löhne; aber nicht immer werden Marktlöhne uns reichen.
– Die Sicherung eines „gerechten Lebensunterhalts“ für alle Bürger hingegen ist Aufgabe des Staates.
– Er kann diese Aufgabe nicht generell an die Arbeitgeber delegieren.
Mit dem Bürgergeld 2025 wurde die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in die Marktwirtschaft integriert.
Mit der Ausgestaltung des Bürgergeldes als Unterbeschäftigungsversicherung wurde Einwanderung in unser Sozialsystem und unnötige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verhindert.
Auch für diejenigen, die in Stufe 3 noch zweifelten, sind staatliche Mindestlöhne nun offensichtlich obsolet.
Lohnsetzung kann den Tarifpartnern wieder vollständig überlassen werden.
Nicht nur die Arbeitnehmer sondern auch der Staat wegen der resultierenden Sozial- und Steuerabgaben haben Interesse an höheren Löhnen. Zum Ausgleich der oft schwachen Marktmacht der Arbeitnehmer sind die Gewerkschaften gefordert. Aber auch sie haben den vierstufigen Wandlungsprozess des Arbeitsmarktes miterlebt und gesehen, welche positive Wirkung niedrige Löhne unter bestimmten Bedingungen haben können. Die Tarifpartner könnten nach diesen Erfahrungen zu neuen Ergebnissen kommen:
Tariflöhne werden räumlich noch stärker differenziert als bisher, um Chancengleichheit in allen Landesteilen zu schaffen. Tariflöhne sollten zwar so hoch wie möglich sein: Aber sie sind Richtsätze zur Orientierung der Wirtschaft. Abweichungen sind vor Ort wie schon heute oft in den Betrieben abzustimmen.
Mit dem Liberalen Bürgergeld 2025 ist in Stufe 4 ein Arbeitsmarkt entstanden, in dem jeder Arbeit findet und davon angemessen leben kann.
Ludwig Ehrhards Versprechen: „Wohlstand für alle!“ hält wieder.
Freien Demokraten haben Soziale Marktwirtschaft neu erschaffen.
Wir haben so viel Führungskompetenz bewiesen, dass wir die Chance haben, in Deutschland eine starke politische Kraft zu werden.
Eine solidarische und wirklich liberale Gesellschaft
Die Zweiteilung der Gesellschaft in Leistungsträger und Hilfebedürftige ist überwunden. Jeder findet einen Platz, an dem er gebraucht und geschätzt wird:
– Niemand wird mehr als Hilfebedürftiger deklassiert und stigmatisiert.
– Niemand muss mehr fürchten, aus einem Job in das Milieu der von staatlicher Fürsorge Abhängigen zu fallen.
– Jeder kann sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen.
Die Leistungsschwächeren haben keinen Grund, sich gegen „die da oben“ zu empören, denn sie treffen immer auf jemanden, der ihre Leistungen zu schätzen weiß.
Leistungsstärkere haben keinen Anlass, auf die Schwächeren hinabzuschauen, denn sie haben erfahren, dass jeder von ihnen irgendeine sinnvolle Aufgabe erfüllt, von der auch sie möglicherweise einmal profitieren können.
– Kinder aufzuziehen macht mehr Freude und ist nicht mehr wirtschaftliche Bürde.
– Kaum noch wachsen Kinder in Armut auf.
Wir können ohne Sorge und Handelsbarrieren am globalen Handel teilnehmen.
Wir sind gerüstet für das Zeitalter der Digitalisierung.
Unser Arbeitsmarkt federt alle zu erwartenden Herausforderungen ab.
Es wächst das Gefühl der Solidarität:
Deutschland ist wirklich unser aller Land. Hier stehen wir zu einander.
Das wichtigste Ergebnis für die nächste Generation wird sein:
Jedes Kind wächst auf in dem Bewusstsein:
– Diese Gesellschaft braucht dich und kann einen dir angemessenen Platz bieten.
– Du kannst ihn dir in Freiheit nach deinen Fähigkeiten und Neigungen suchen.
– Dabei wirst du niemals unter das Existenzminimum fallen.
– Jede Leistung, mit der du anderen dienst, trägt auch dich voran.
Wir können uns heute eine solche Gesellschaft kaum vorstellen; so verschieden ist sie von der jetzigen. Es gibt deshalb keinen Grund, über den Reformprozess in seiner Gesamtheit Beschluss zu fassen. Die angeführten Stufen 2 bis 4 sind nur Optionen. Nach jedem Schritt sind dessen Wirkungen zu überprüfen und ein nächster Schritt darauf abzustimmen.
Es kommt jetzt also darauf an, ein Mandat für den ersten Schritt zu erringen.
Je später wir starten, desto mehr Arbeitsmöglichkeiten im Niedriglohnbereich hat die Wirtschaft durch Kapitaleinsatz ersetzt, desto mehr Verbote behindern die Entwicklung des Marktes und desto mühsamer wird der notwendige Reformprozess. Man sollte also damit nicht warten, bis in einer möglichen Depression wie 2005 wachsende Arbeitslosenzahlen zum Handeln zwingen.
Ein Start noch bei günstiger Konjunktur ist die beste Voraussetzung für den Erfolg.
Anhang
Chancen und Grenzen des Arbeitsmarktes
Mit höheren Löhnen möchten wir alle an der Steigerung der Produktivität unserer Wirtschaft Teil haben. So sehr technischer Fortschritt, globaler Handel und nun auch künstliche Intelligenz diese Produktivität steigern, so sehr begrenzen sie zugleich mögliche Löhne, weil sie Konkurrenz zu unserer Arbeit schaffen. Diese Zusammenhänge sollen im Folgenden untersucht werden:
Abbildung 21 baut auf den Erhebungen des Sozioökonomischen Panels des DIW Berlin auf. Es zeigt – zunächst für 1993 – in blauen Säulen3 mit grüner Umrandung, wie viele Menschen Bruttolöhne zwischen einem vollen Euro und dem jeweils nächsten verdienten. Hier wurde die nach Angaben der Erwerbstätigen nicht nach Vertrag sondern tatsächlich geleistete Arbeitszeit umgerechnet auf Vollzeitstellen sowie auf Preise von 2017. So erhielten z.B. zwischen 14 Euro und 15 Euro je Stunde 2,32 Millionen Menschen, zwischen 17 und 18 Euro jedoch nur 1,68 Millionen. Oberhalb 14 Euro Bruttolohn und damit über 8 Euro Nettogewinn je Stunde dürfte es kaum unmotivierte Arbeitnehmer geben. Die Zahl der Arbeitsplätze sinkt mit steigenden Löhnen. Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage sind von Transfereinkommen unbeeinflusst und bilden ein Gleichgewicht. Die grüne Kurve fasst es zusammen.

Oberhalb 14 Euro gilt das Leistungsprinzip der Marktwirtschaft bei voller Motivation: Je niedriger der Preis, desto mehr Arbeitsplätze schafft die Wirtschaft.
Links der Mitte dürfte die Nachfrage der Arbeitgeber mit wachsenden Gewinnspannen noch weiter steigen (grün gepunktet). Das Angebot der Arbeitnehmer hingegen kann langsam davon abweichen, weil irgendwann Freizeit mehr wert ist als der Stundenlohn. Dies ist als Grenze des fiktiven Marktpotenzials mit gelber Linie grob skizziert. Als fiktiv wird es bezeichnet, weil es so viele Erwerbsfähige gar nicht gibt.
Unter 14 Euro steigt die Zahl der Arbeitsplätze jedoch nicht langsam weniger, sondern geht abrupt zurück.
Der Markt hätte wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen können, aber:
Unterhalb 14 Euro galt das Versorgungsprinzip und herrschte Demotivation:
Je niedriger der Preis, desto stärker wirkt die Konkurrenz des Arbeitslosengeldes.
Betrachten wir nun die drastische Veränderung dieses Arbeitsmarktes unter dem Eindruck von Automation und Globalisierung bei gleichzeitiger Absicherung eines Mindestlebensstandards in den folgenden zwölf Jahren in Abbildung 22 zwischen 1993 (grüne Linien) und 2005 (blaue Linien):

Die neuen Bundesländer holten auf. Der Westen erlebte einen Produktionsschub. Die Nachfrage nach Spitzenleistungen im Management, das für weltweite Aktivierung der günstigsten Ressourcen und damit für Entlassungen ebenso wie für Überleben der Firmen zuständig ist, wuchs. Das Gleiche gilt für Fachleute im Ingenieurwesen, die für Qualitätsvorsprünge und neue Produkte Verantwortung tragen. Sie sind die Globalisierungsgewinner (orange Flächen). Leistungen jedoch, die im Ausland preiswerter erbracht, durch Maschinen ersetzt oder durch Rationalisierung eingespart werden können, sanken im Preis. Für einige wurde das durch höheren Maschineneinsatz oder persönliche Qualifizierung aufgefangen, dann gehörten sie zu den Gewinnern mit höheren Stundensätzen (grün zu orange). Für andere hingegen gab es „keine lohnende Arbeit“ mehr. Demotiviert gaben sie auf (lila Pfeile).
Folge: Fast fünf Millionen Arbeitslose 2005.
Die „Zwei-Drittel-Gesellschaft kam auf uns zu:
Zwei Drittel Leistungsträger – ein Drittel Präkariat.
Abbildung 23 zeigt die Wirkung von Hartz IV in den ersten drei Jahren von 2005 (blau) bis 2008 violett):

Automation und weltweite Arbeitsteilung schritten weiter voran. Im Bereich der Marktwirtschaft gab es sowohl Gewinner mit wirklich hohen Einkommen (ganz rechts) als auch Aufsteiger (rote Pfeile, hellgrün zu orange). Aber nun wurde ein Teil des Marktpotenzials im Niedriglohnbereich genutzt. Neue Arbeitsplätze zwischen 5 und 15 Euro wurden nicht nur angeboten sondern auch angenommen. Das waren die neuen Geringverdiener.
Die Arbeitslosigkeit sank auf 3,3 Millionen.

Zwischen 2005 und 2008 war die Entwicklung vor allem durch die neue Motivation der Erwerbsfähigen angetrieben worden. Zwischen 2008 (Abb. 7, violett) und 2013 (rot) lernten die Arbeitgeber die so entstandenen Möglichkeiten kostengünstigerer Produktion zu nutzen. Zwar kamen einige Ein-Euro-Jobber in normalere Jobs und verdienen damit mehr (grün zu hellgrün) und bei hohen Einkommen gab es weitere Gewinner (grün zu orange). Per Saldo aber traten vor allem Arbeitsplätze zwischen 9 und 13 Euro (hellblau gerastert) an die Stelle von solchen zwischen 14 und 19 Euro (lila) Das waren die Absteiger. Die Kombination aus leicht sinkenden Lohnkosten, weiteren Innovationen und Auslagerung lohnintensiver Produktionsteile bescherte Deutschland wachsende Exportüberschüsse und den Wirtschaftsboom.
Die Arbeitslosigkeit sankt auf 2,9 Millionen, bis 2019 dann sogar auf nur 2,2 Millionen.
Interessant wäre die Wirkung der Mindestlöhne. Die Daten sind aber noch nicht ausgewertet.
Abbildungen 25 und 26 skizzieren unseren künftigen Handlungsspielraum für 2030. Gibt es
keine motivierende Arbeitsmarktreform oder wirkt gar das Verbot unter Mindestlohn zu arbeiten weitgehend (braun), entfallen auch im unteren Bereich Arbeitsplätze (dunkelblau).

Bei dieser vorsichtigen Schätzung wird unterstellt, dass Mindestlöhne weitgehend durch Akkordarbeit, nicht registrierte Mehrarbeit und selbständige Tätigkeit unterschritten werden. Mittlere Löhne werden dadurch zwar etwas in die Höhe gedrängt, so dass sich die Gleichgewichtslinie etwas mehr krümmt (Abb. 25, braun).
Aber die Arbeitslosigkeit könnte 4 – 7 Millionen erreichen.
Wird aber volle Motivation auch im Niedriglohn geschaffen (orange Linien) entstehen genügend neue Arbeitsplätze (hellblau gerastert). Selbst geschätzte eine Million Flüchtlinge und zwei Millionen bisher untätiger Hartz-IV-Empfänger könnten dauerhaft integriert werden.
Dabei gibt es auch genug Arbeit für weniger Qualifizierte. So hat z.B. das „Institut Zukunft der Arbeit“ 2005 in einer Studie gezeigt, dass damals bei einem Stundensatz von 13,0 Euro zwar nur 17 % der deutschen Haushalte familienunterstützende Dienstleistungen nutzen würden, bei 5,0 Euro sei das aber von 58 % zu erwarten. Das heißt, wir würden sehr viel mehr Dienstleistungen als heute in Anspruch nehmen, wenn das zu einem geringeren Preis möglich wäre. Und genau das lohnte schon unter Hartz IV bisher nicht: Haushalte konnten so viel nicht zahlen – erwerbslose waren mit geringerem Lohn nicht zufrieden. Und deshalb können wir uns nicht einmal vorstellen, welche Möglichkeiten sich damit eröffnen.

Auch wenn hier natürlich vieles Spekulation ist, dürfte doch klar sein:
Eine Reform ohne Öffnung des Niedriglohnsektors wird auf Dauer den Herausforderungen der Globalisierung sowie der künstlichen Intelligenz nicht gewachsen sein.
Wie bei der Klimawende zu beobachten, werden mit staatlichen Eingriffen versuchen gegenzusteuern und wissen dabei nicht einmal, welche Schritte den Menschen wirklich dienen.
Mit einer Reform, die Motivation schafft und den notwendigen sozialen Ausgleich in den Marktmechanismus integriert, können alle Arbeit finden, von denen sie angemessen leben können.